Kaninchen und Meerschweinchen

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Wilma und Friedrich sind ein Herz und eine Seele: Wo der eine ist, da geht der andere auch hin, Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen, die beiden dösen eng aneinander gekuschelt und wenn Friedrich Wilma die Ohren ableckt, dann gurrt sie vor Wonne…

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Was zwischen dem kleinen Zwergkaninchenmann und der wildfarbenen Meerschweinchendame wie eine innige Tierfreundschaft aussieht, ist nichts anderes als eine Notlösung. „Die Vergesellschaftung von Kaninchen und Meerschweinchen könnte man – um es jedem verständlich zu machen – damit vergleichen, dass ein Mensch mit einem Affen zusammenleben muss“, sagt die Tierärztin Dr. Birgit Drescher, eine der führenden Kaninchenexpertinnen in Deutschland. Wenn Angehörige hochsozialer Spezies isoliert von ihren Artgenossen leben müssen, schließen sie sich, bevor sie vollkommen vereinsamen, in ihrer Not einem artfremden Lebewesen an. Aber beide sprechen nicht die selbe Sprache, wobei hier Sprache im weitesten Sinn zu verstehen ist – also akustische, optische, geruchliche Kommunikation und Körpersprache. Die beiden Fremden lernen mit der Zeit, einander zu verstehen und kommen sich näher, aber ein vollwertiger Ersatz für einen Artgenossen können sie einander niemals sein.

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Dabei wären wir mit Menschenaffen viel näher verwandt als dies Meerschweinchen und Kaninchen sind: Erstere gehören zu den Nagetieren, letztere aber zu den sogenannten „Lagomorphen“, den Hasenartigen, die Rindern oder Pferden viel näher stehen als den Nagern, mit denen sie nur ein ähnlich aussehendes Gebiss verbindet.

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Bei so viel Fremdheit nimmt es auch nicht wunder, dass schon unzählige Meerschweinchen das Zusammenleben mit einem Kaninchen mit schweren Verletzungen und am Ende sogar mit dem Leben bezahlt haben. „Können Sie uns ein junges Meerschweinchen vermitteln?“, kam vor kurzem die telefonische Anfrage eines Familienvaters. „Jetzt ist uns schon das dritte Tier über Nacht einfach weggestorben und unser Kaninchen sitzt wieder alleine im Käfig.“ Nach näherem Fragen stellte sich heraus, dass das Kaninchen, eine zweijährige Zwerghäsin, den kleinen Nagern schon mal nachjagte und auf ihnen „herumrammelte“. Auch quiekten die Schweinchen, wenn niemand im Zimmer war, des öfteren laut und schrill, aber dies tat die Familie als „natürliche Lautäußerungen“ dieser Tiere ab. Dass ihr „sanftmütiges“ Mümmelchen für den qualvollen Tod dreier Meerschweinchen verantwortlich war, hielten Vater, Mutter und Kinder für ausgeschlossen. Und im Grunde genommen war das Kaninchen auch gar nicht verantwortlich, sondern die Menschen, die ihm immer wieder so einen wehrlosen, kleinen Nager in den Käfig gesetzt hatten.

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Kaninchen, obwohl ausgesprochen gesellig, haben von Natur aus ein sehr hohes Aggressionspotential, das vor allem dann zum Vorschein kommt, wenn ihnen der Sinn nach Fortpflanzung steht. Nur ein anderes Kaninchen kann die ersten Anzeichen von Kampflaune frühzeitig erkennen und adäquate Verhaltensmuster zeigen, die auf den Partner aggressionshemmend wirken. Ein Meerschweinchen, das nur sehr selten kämpft und dann fast ausschließlich gegen Seinesgleichen, ist dem viel kräftigeren Kaninchen schutzlos ausgeliefert. Kommen dann noch beengte Platzverhältnisse, wie sie in so gut wie allen handelsüblichen Käfigen und Ställen herrschen, dazu, kommt es schnell zu einem „Schweinchenmord“, wie er vorhin beschrieben wurde.

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Manche Langohren, wie zum Beispiel Friedrich, verletzen ihr Partnerschweinchen nie. Aber selbst wenn sich ein Kaninchen nur hin und wieder gegen den kurzbeinigen Stallgenossen wendet, bedeutet das für diesen einen Stressfaktor, der sein Wohlergehen massiv beeinträchtigt. Kaninchen gehören zu Kaninchen und Meerschweinchen zu Meerscheinchen. Erst wenn mindestens zwei jeder Art harmonisch vergesellschaftet sind, kann man diese beiden Spezies auch problemlos zusammenhalten. Und sogar Friedrich und Wilma, die einander in der Not gute Freunde geworden sind, leben nur vorübergehend in ihrer ungleichen Zweierbeziehung: Im Stall nebenan sitzen nämlich Frieda, die Kaninchendame und der mit Friedrich zusammen kastrierte Meerschweinmann Wielandt. In zweieinhalb Wochen, wenn die beiden „Herren“ keinen Nachwuchs mehr zeugen können, kommen alle vier Tiere zusammen in ein geräumiges Gehege. Dort darf dann jeder mit Seinesgleichen zusammenleben und wenn es ihm danach ist, kann er auch freundschaftliche Kontakte zu der anderen Lebensform führen…

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 Text und Fotos: H. Kienle

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